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Café Central
===Helga Malmberg: Café Central=== Datei: IMG 8823.jpg
Das Café Central war einer der beliebtesten Treffpunkte der damaligen Literaten. Karl Kraus, Arthur Schnitzler, Raoul Auernheimer und noch mehr stadtbekannte Literaten sowie auch Musiker, Politiker etc. wanderten hier ein und aus, um sich miteinander auszutauschen, über aktuelle Themen zu diskutieren, Tarock zu spielen oder um einfach in Ruhe ihre Werke zu schreiben. Auch konnte man sich darauf verlassen, Peter Altenberg hier zu treffen. Schließlich gab er seine Wohnadresse hier an.
Helga Malmnberg, eine Freundin Altenbergs, beschreibt in ihrem Text ''Café Central'' in präziser Weise die Lebendigkeit dieses Kaffeehauses. Sie skizziert nicht nur die Räumlichkeiten, sondern nimmt uns direkt mit auf ihrem Gang ins Café Central. Helga Malmberg lässt uns eintauchen in die damalige Zeit der Jahrhundertwende. Man findet sich mitten unter den bekannten Kaffeehausliteraten wieder und wird vollkommen umhüllt von der gemütlichen Kaffeehausatmosphäre.
''„Das Stammlokal der literarischen Welt im Ersten Bezirk war damals das „Café Central“, ein Eckhaus in der Herrengasse. Schon die Baulickeiten waren originell. Man trat zuerst in einen düstern Vorsaal mit tiefen Fensternischen. Hier herrschte stets eine kühle Dämmerung, die ideale Beleuchtung für Stubenhocker und Eigenbrödler. Dann ging man durch einen schmalen Gang und gelangte in eine Art Hof mit Oberlicht, zu dem eine kleine Stiege mit breiten Stufen hinaufführte. Der große Saal war eigentlich ein Gewölbe ohne Decke. Der Rauch verteilte sich daher bis unter das hohe Glasdach. Im Gegensatz zum Vorraum war dieser Hof sehr hell und luftig. Hier waren die Stammtische der einzelnen Künstler, die absolut tabu waren, die Insel der Schachspieler, die Oase der Domino-Liebhaber, die Ecke, wo man Billard spielte. Alle diese Abteilungen mit ihren Zuschauern und Kiebitzen waren durch genügend Raum voneinander getrennt. Keiner störte den andern. Hier trafen sich Künstler jeder Art: Dichter, Schriftsteller, Maler, Bildhauer und zugleich jene kunstbegeisterten bürgerlichen Kreise, die sich für alles Neue und Außergewöhnliche interessierten. Diesen Menschen haftete ein leichter Hauch von Snobismus an. Allen gemeinsam aber war die Lebendigkeit des Geistes, das Interesse am Leben in seinen hundert verschiedenen Facetten und die Begeisterung für alles Schöne. Es gab verschiedene Tische, die streng voneinander geschieden waren. Zum Kreis Peter Altenbergs gehörten hier Egon Friedell und Adolf Loos. Bedeutete es schon eine gewisse Auszeichnung, wenn ein junger Schriftsteller an diesen Tisch geladen wurde, so war der Tisch des Satirikers Karl Kraus noch exklusiver. Karl Kraus vertauschte ihn später mit einem Tisch im Café Imperial, da ihm die lebhafte Atmosphäre des „Central“ auf die Nerven ging.“''
Nicht nur Künstler leglicher Art verbrachten ihre Zeit im Kaffeehaus, auch kunstbegeisterte aus bürgerlichen Kreisen ließen sich hier blicken, wie Malmberg schildert. Wo auch sonst konnte man die neuesten Neuigkeiten so schnell erfahren wie im Café Central, in dem die Elite der Künstler höchstpersönlich zugegen war? Das war damals einer der Hauptgründe, dem Kaffeehaus einen Besuch abzustatten. Neuigkeiten erfuhr man im Kaffeehaus nicht nur über die aufbereiteten Zeitungen und Zeitschriften, sondern sie verbreiteten sich hier sehr schnell über Gespräche, oft ebenso aus erster Hand. Auch stand der neueste Tratsch an der Tagesordnung. Ging man ins Kaffeehaus, verließ man es zumeist bestens informiert über die neuen Geschehnisse der Welt.
''„Zwischen diesen und vielen anderen Berühmtheiten gab es eine vermittelnde, eine neutrale Persönlichkeit, eine beliebte und wichtige Figur: den Zahlkellner Jean. Er war ein schlanker, dunker Mensch, mit unglaublicher Menschenkenntnis begabt. Er konnte alle diese Leute auseinanderhalten, er wußte von jedem das Wichtigste und hatte ein erstaunliches physiognomisches Gedächtnis. All das befähigte ihn, sich einem so hochstehenden literarischen Kreis anzupassen. Außerdem war er so belesen, daß ihm keine Neuerscheinung entging; besonders verfolgte er die Entwicklung seiner Lieblingsschriftsteller mit größtem Interesse. Er wußte genau, welche Zeitungen und Zeitschriften an den verschiedenen Tischen gelesen wurden, und er irrte sich nie. Ein falsch platziertes Abendblatt hätte sich bitter rächen können. Er betreute die Künstler mit größter Aufmerksamkeit und Liebe. Das ging so weit, daß er seinen Schützlingen, die er schlecht bei Kasse wußte, gelgentlich „anschrieb“ oder sogar kleine Beträge lieh. Die Künstler dankten es ihm mit liebenswürdiger Vertraulichkeit.“''
Der Zahlkellner Jean wird von den Gästen des Café Central hoch geschätzt. Er versucht die Ordnung aufrecht zu erhalten. Er legt die richtigen Zeitungen und Zeitschriften auf die entsprechenden Tische, merkt sich die Vorlieben seiner Gäste und ist stets aufmerksam und höflich. Diese exzellenten Servicequalitäten überzeugen noch in heutigen Tagen die zahlreichen Kaffeehausbesucher des Café Centrals. Auch um Malmbergs Vorlieben weiß Jean Bescheid.
''„Wenn ich durcharbeitete, konnte ich schon um fünf Uhr im Café Central sein, wo ich nacheinander alle meine Freunde traf. Sobald Jean mich erblickte, brachte er mit meine Lieblingsjause: einen Tee mit Zitrone und einen „débardeur“, eine schwarze Brotschnitte, mit einer Mischung von Sardinen und Kaviar belegt, drauf lag eine Zitronenscheibe. Auch dieser Leckerbissen ist, wie so vieles andere, von der Speisekarte der Kaffeehäuser verschwunden.“''
Alsbald trifft sie auf ihren Freund Raoul, bei dem es sich um Raoul Auernheimer handeln könnte.
''„Um sechs Uhr kam gewöhnlich als erster Raoul. Er bestellte niemals etwas anderes als einen Kapuziner und ein Kipfel, was ich ihm als Mangel an Phantasie auslegte. Er versuchte, mich mit Tratsch aus der Galerie zu unterhalten, der mich indessen schon längst nicht mehr interessierte. Ich hatte mich dem Leben zugewandt. Dabei war Raoul insofern brauchbar, als er stets von allen Menschen alles wußte. So fragte ich ihn einmal: „Wer ist dieser todblasse junge Mann, der seit einigen Tagen am Tisch gegenüber sitzt?“ Raoul schaute nur mit einem Auge hin: „Dieser blutlose Schatten? Das ist der junge Otto Soyka, ein neuer Anhänger, ja sogar ein anbetender Jünger Karl Kraus.“ „Und was ist sein Beruf? Er scheint überhaupt keinen zu haben, denn ich sehe ihn zu jeder Tageszeit hier sitzen.“ „Ja was er ist, das weiß man nicht. Man sagt, daß er an einem Buch arbeitet. Wenn es überhaupt geschrieben wird, dann sicher hier im Café Central. Aber ein Mensch wie er lebt ja immer nur aus zweiter Hand...“''
Natürlich lässt sich auch Peter Altenberg wie gewohnt im Café Central blicken.
''„Gegen acht Uhr kam Peter. Meist brannte im Spielzimmer schon das Licht. Seine Maxime war: „Der völlig ausgeschlafene Mensch ist gutmütig und liebenswürdig- der unausgeschlafene verkrampft und gereizt!“ Peter machte allerdings die Nacht zum Tage und verschlief die schönste Tageszeit. Wenn er aber wach war, dann war er wacher als alle andern Menschen. Mit einem Blick konnte ich feststellen, ob er in guter Form war. Schwang er seinen Stock, so war das immer ein Zeichen guter Laune. Jean brachte den Kaffee. Auch er kannte genau Peters Gesichtsausdruck. „Heute geht’s Ihna gut, Herr Altenberg“, sagte er, „des kann a jedes Kind merken. Vielleicht a mürbes Kipferl gefällig zum Kaffee?“ „Das ‚von‘ können Sie sich sparen, Jean- Sie wissen, daß ich kein Snob bin. Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, daß Sie mich ganz einfach ‚Peter‘ nennen sollen...“ Jean errötete vor Vergnügen. „Gewiß, Herr Peter, es wird mir eine Ehre sein...“ Und er verschwand.“''
Nach kurzer Zeit informiert Jean Altenberg, dass ein junger Mann wünsche, diesen zu sprechen. Er ist fremd in der Stadt und möchte unbedingt den bekannten Dichter Peter Altenberg kennen lernen, da er sich ''„nur an die allerersten Meister halten will“'' , wie er sagt. Der junge Mann war Otto Soyka, wie Malmberg zuvor durch Raoul herausgefunden hat. Mit Witz und Charme führt Altenberg eine Unterredung mit ihm.
Die Menschen kamen von überall her, um berühmt-berüchtigte Künstler im Kaffeehaus kennen zu lernen und wohl auch, um bei ihnen das ein oder andere zu erlernen. Das Kaffeehaus war sozialer Treffpunkt, ein soziales Netzwerk der verschiedensten gesellschaftlichen Kreise. Alleine war man hier nie. Wollte man ungestört bleiben, wurde auch das respektiert. Doch vor allem das Treffen mit Freunden, Bekannten, Kollegen, das Austauschen von Neuigkeiten, das Vergessen der Sorgen des Alltages standen im Café Central, wie auch in den anderen Wiener Kaffeehäusern im Mittelpunkt der Tagesordnung. Und wo kann man diesen Gepflogenheiten besser nachgehen als im Wiener Kaffeehaus?
===Geschichte des Café Central===
Im Anschluss erflogt eine kleine Zeittafel des Café Central. Die Daten wurden der Homepage https://www.cafecentral.wien entnommen.
*1856-1860 Das Palais Ferstel wird erbaut. Der venezianisch-florentinische Stil ist einer langen Italienreise des jungen Architekten Heinrich von Ferstel geschuldet. Das Gebäude ist zu dieser Zeit das modernste Wiens.
*1860 Im Erdgeschoss des Palais Ferstel, in dem sich heute das Café Central befindet, mietet sich die Wiener Börse ein. Gleichermaßen hat die Österreichisch-Ungarische Nationalbank ihren Sitz in diesem Gebäude.
*1876 Nach dem Auszug der Wiener Börse aus dem Erdgeschoss ist es soweit! Die Brüder Gustav und Hermann Pach eröffnen das Café Central.
*ab 1900 „Das Zeitalter der „Centralisten“ beginnt!“ Das Kaffeehaus wird zum sozialen Treffpunkt für Gelehrte und Künstler. Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal, Sigmund Freud und viele mehr sind hier täglich zu Gast.Stammgast ist Peter Altenberg, der hier (beinahe) wohnt. Eine lebengroße Figur erinnert noch heute an ihn.
*bis 1918 bleibt das Café Central Kultstatus. Ein beliebter Treffpunkt und Ort der Begegnung.
*1925 Kur vor seinem 50- jährigem Jubiläum wird das Central aufgehübscht, heißt, restauriert und renoviert. „Arkadenhof, Säulensaal, ein Damensalon und verschiedene Spielzimmer werden in das Kaffeehaus integriert und das Café selbst zu einem Café-Restaurant umgestaltet.“
*1926 Das 50-jährige Jubiläum wird gefeiert.
*1938 Die Nationalsozialisiten fordern die Umbenennung in „Kaffeehaus“ bzw. „Kaffee“ aufgrund ihrer Arisierungspolitik. Der Zweite Weltkrieg fordert viele Todesopfer unter den Stammgästen.
*1943 wird das Café Central geschlossen. Vier Jahrzehnte werden seine Pforten nicht für Gästen geöffnet, lediglich als Lagerraum wird das Kaffeehaus genutzt. Der Krieg verursacht großen Schaden am Palais Ferstel.
*1951 Ein langsamer Wiederaufbau beginnt. Der Krieg und die Rote Armee hinterlassen Schutt und Zerstörung. Die Wiener Basketballgemeinde macht es sich zur Aufgabe, das Palais zu renovieren. In der „Halle Herrengasse“ wird täglich Basketball gespielt.
*1958 Das Gebäude wird von der Österreichischen Realitäten-AG (ÖRAG) übernommen.
*1970-1980 Die ÖRAG stellt den Glanz des Café Central langsam aber sicher wiede her.
*1981-1983 Es ist endlich soweit! Das Café Central öffnet wieder seine Türen im renovierten Arkadenhof. Ein ORF-Studio baut die Kulisse des Kaffeehauses nach und bis 1991 wird die Diskussionssendung „Café Central“ des ORF aus dem „Kaffeehaus“ gesendet.
*1986 Das Café Central kehrt zu seinem Ursprung zurück, nämlich in den Säulensaal.
*2001 Das Palais Ferstel mit zugehörigem Café Central wird von der Karl Wlaschek Privatstiftung übernommen. Gegründet wird die Palais Events Veranstaltungen GmbH.
*2006 Der Arkadenhof ist für die Gäste des Kaffeehauses und für Gruppen wieder zugänglich.
*2011 Die exzellente Küche sowie auch der Sevice sorgen für das Wohlergehen der Gäste.
*2016 „Das Traditions-Café feiert sein 140 jähriges Jubiläum. Die hauseigene Patisserie gratuliert mit der süßen Versuchung "Central Surprise" und beim Open Mic begeistern junge Literaten mit zeitgenössischen Texten. Die Centralisten sind alias #IamCentralist im 21. Jahrhundert angekommen.“
===Verwendete Literatur===
Malmberg, Helga: Café Central. In: Lokale Legenden. Wiener Kaffeehausliteratur. Hrsg. von Hans Veigl. Wien: Kremayr & Scheriau 1991. S. 131-132.
===Spannende Internetquellen===